Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Montag, 24. November 2014

Kloß im Hals

Ist das seltsam. Wir sitzen vor unseren Rucksäcken. Wir werden schwer bepackt sein. Vor allem im Herzen. Denn wir verlassen Aotearoa, das Land der weißen Wolke, heute mittag. Der einzige, dem alles egal ist, ist Oskar. Wie schön, wenn man grad mal ein Jahr alt ist und sich einfach über das freut, was grade stattfindet und noch nicht dem nachhängt, was stattgefunden hat. Zwei Monate Neuseeland. Zwei Monate auf engstem Raum durch ein weites, wunderschönes Land. Puh. Wir hieven die Rucksäcke ins Auto. Chris, unser Gastgeber, wird uns zum Flughafen fahren. Für lau, das ist nett. Er erzählt uns, wie oft er diese Strecke fährt, wer wohin fliegt, doch die Worte, sie fliegen eher an uns vorbei. Und das Herz, das will erst gar nicht mitfliegen und hängt noch irgendwo.

Alles wäre richtig schwer. Wäre da nicht Oskar. Der seinen Buggy volle Kanne durch den Flughafen schiebt, dass wir mit dem Gepäckwagen Mühe haben, hinterher zu kommen und unsere "Stooooopppp"-Befehle durch die Halle zu brüllen. Schließlich war es nicht weit bis zum Schalter von Singapore Airlines. Und hier komme ich an. Auf dem harten Boden der Realität. Der da heißt: Nicht alle Kiwis sind nett. Die Dame ist nicht nur icht wirklich nett, sie ist auch noch inkompetent oder zumindest arg lustlos, sich darum zu kümmern, dass wir zusammensitzen können. Nee, das müssten die am Gate regeln. Hä? Ich bekomme doch hier die endgültigen Bordkarten? Nee. Das machen die am Gate. Klatsch, landen meine ausgedruckten Bordkarten wieder vor mir auf dem Schalter und die Lady tratscht wieder mit ihrer Nachbarin. Derweil rummst es im Hintergrund, Oskar ist wieder irgendwo dagegen gefahren. Na toll. Etwas ratlos tapern wir in Richtung Gates, Oskar gibt einem vorbeischlendernden Kapitän der Air New Zealand High Five. Da sind sie wieder, die lockeren Kiwis. Hachja.

Wir haben noch einige Dollar übrig und decken uns endlich bei Global Culture mit lustigen T-Shirts ein. Ich hatte schon Angst, gar keinen Laden diese Kultkette mehr zu finden. Glück gehabt. Doch dieses Gefühl hält nicht lange an. Wir stehen an der Sicherheitskontrolle. Und dürfen Oskars Trinkflasche partout nicht mit Inhalt mitnehmen. Ich will es erst nicht glauben, doch ich werde derart von Mann und Frau an der Tür angeherrscht, das kein Zweifel bleibt. Noch nie mussten wir das Essen und Trinken für Oskar ausräumen und teils austrinken. Erst, als die halbe Flasche leer war, hat der dritte Wachmann ein Einsehen und winkt uns doch durch. So langsam bekomme ich meine typische Alles-Scheiße-hier-Wut. Die steigt sogar noch etwas, als mir am Gate wortlos die Papiere aus der Hand gerissen werden, um uns nun endlich Bordkarten zuzuteilen. Boah. Zwei Monate in einem Land mit nur netten Menschen und dann sowas: Am Flughafen Christchurch haben sich die A...löcher der Nation zusammengefunden, oder wat?  Und dann steht uns auch noch ein langer Tagflug bevor...

So viel vorweg: Schlimmer wird's immer. Einziger Vorteil: Der Abschiedsschmerz hatte keine Chance mehr gegen unverschämte Purser im Flugzeug, gleichgültige Stewardessen und Stewards. Der Ärger wäre vielleicht geringer gewesen, wären wir mit Lufthansa oder Air Berlin unterwegs, von denen wir leider schlechten Service gewohnt waren. Aber Singapore Airlines! Ein Purser, dem selbst der ungewohnt leise und superliebe Oskar auf den Nerv ging, einfach, weil er da war. Und wir daher nunmal nicht alle drei zusammen essen konnten, sondern nacheinander das Essen haben wollten. Standard auf dem Hinflug, Zumutung auf dem Rückflug? Eine englische Mutter neben uns, eigentlich superentspannt, wurde auch immer genervter, als der Purser genervt war, dass ihr Sohn und Oskar auf dem Boden vor ihr spielten. Auf dem Boden, nicht im Gang. Keiner musste dran vorbei. Der einzige Lichtblick war eine schöne Frau, die mir schon am Flughafen aufgefallen war. Eine Stewardess außer Dienst. Sie schnappte sich Oskar mehrmals, schleppte ihn durch die Kabine, spielte mit ihm auf dem Boden und wies ihre Kollegen mehrmals in die Schranken, klang zumindest so. Wir waren trotz dieser lieben Frau heilfroh, nach elf Stunden endlich rauszukönnen aus dem Flieger. Sowas brauchen wir nicht nochmal.

Die gute Fee

Singapur hatte uns also wieder. Mit Schrecken stellte ich fest, dass ich noch einen Kaugummi einstecken hatte. Ist verboten hier. Ich hab ihn reingeschmuggelt :-) Oskar krakeelte wie beim ersten Mal fröhlich in der großen Empfangshalle herum, brachte die Grenzer zum Lachen. Selbst in der vollgestopften Metro lächelten die schweißgebadeten Menschen uns an und schäkerten mit Oskar herum. Und auch, als wir völlig verloren an der Metro-Station standen, weil wir unser Quartier nicht fanden, waren sie sofort zur Stelle: Nette, hilfsbereite Menschen. Auch jetzt hatte also der Abschiedsschmerz keine Chance mehr.

Großstadtflair statt Camperfeeling

Unsere Unterkunft fanden wir dann doch noch. Wir hatten eigentlich die ganze Zeit vor dem Hochhaus gestanden, nur den richtigen Eingang nicht gefunden. Oben im 22. Stock sahen wir über den Containerhafen, glitzerten uns tausende Lichter entgegen. Zwei Tage hatten wir uns bei Supriya, unserer netten, indisch-stämmigen Vermieterin, einquartiert. Die letzte Nacht sollte dann dem Luxus gewidmet sein. Das Marina Bay Sands. Doch erstmal machten wir es uns bequem. Oskar war schon beim Umziehen eingeschlafen. Und wir folgten ihm recht schnell auch...

Platt

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